Grundlage des Patientenwillens ist nicht strafbar
Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25.06.2010, 2 StR 454/09
In einer neuen Entscheidung des Bundesgerichtshofs hat dieser das Selbstbestimmungsrecht des Patienten erneut gestärkt. Dem Urteil lag folgender Fall zugrunde:
Frau K. lag seit Oktober 2002 in einem Wachkoma. Sie wurde in einem Pflegeheim über einen Zugang in der Baudecke, eine sog. PEG-Sonde, künstlich ernährt. Eine Besserung des Gesundheitszustandes war nicht mehr zu erwarten. Entsprechend einem von Frau K. im September 2002 mündlich für einen solchen Fall geäußerten Wunsch bemühten sich deren Kinder, die auch zu Betreuern ihrer Mutter bestellt worden waren, um die Einstellung der künstlichen Ernährung, um ihrer Mutter ein Sterben in Würde zu ermöglichen. Als die Kinder dies trotz erheblicher Auseinandersetzungen mit der Heimleitung nicht erreichen konnten, schnitt die Tochter G. den Schlauch der PEG-Sonde unmittelbar über der Bauchdecke durch, was ihr Rechtsanwalt ihr geraten hatte. Frau K. wurde in ein Krankenhaus verbracht, wo eine neue PEG-Sonde gelegt und die künstliche Ernährung wieder aufgenommen wurde. Sie starb dort zwei Wochen später eines natürlichen Todes aufgrund ihrer Erkrankungen.
Das Landgericht hat das Handeln des angeklagten Rechtsanwalts als einen gemeinschaftlich mit Frau G. begangenen versuchten Todschlag durch aktives Tun – im Gegensatz zum bloßen Abbruch nach einer lebenserhaltenden Behandlung durch Unterlassen – gewürdigt und den Anwalt zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, während die Mitangeklagte, Frau G., wegen eines unvermeidbaren Erlaubnisirrtums freigesprochen wurde. Der Bundesgerichtshof hat nun das Urteil des Landgerichts aufgehoben und den Angeklagten freigesprochen.
Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, dass die im September 2002 geäußerte Einwilligung der Patientin, die ihre Betreuer geprüft und bestätigt hatten, eine bindende Wirkung entfalte und sowohl nach den seit dem 01. September 2009, als auch nach dem zur Tatzeit geltenden Recht eine Rechtfertigung des Behandlungsabbruchs darstellt. Dies gelte jetzt, wie inzwischen § 1901 a Abs. 2 BGB ausdrücklich bestimmt, unabhängig von Art und Stadium der Erkrankung. Der BGH führt weiter aus:
………“Die von den Betreuern – in Übereinstimmung auch mit den inzwischen in Kraft getretenen Regelungen der §§ 1901 a, 1904 BGB – geprüfte Einwilligung der Patientin rechtfertigte nicht nur den Behandlungsabbruch durch bloßes Unterlassen weiterer Ernährung, sondern auch ein aktives Tun, das der Beendigung oder Verhinderung einer von ihr nicht oder nicht mehr gewollten Behandlung diente. Eine nur an den Äußerlichkeiten von Tun oder Unterlassen orientierte Unterscheidung der straflosen Sterbehilfe vom strafbaren Töten des Patienten wird dem sachlichen Unterschied zwischen der auf eine Lebensbeendigung gerichteten Tötung und Verhaltensweisen nicht gerecht, die dem krankheitsbedingten Sterbenlassen mit Einwilligung des Betroffenen seinen Lauf lassen.“>
Dieses Urteil bestätigt auch die von uns vertretene Auffassung zum Selbstbestimmungsrecht des Patienten in Bezug auf die Patientenverfügung. In unserer neuen Patientenverfügung (vgl. Skript „Rechtzeitig Vorsorge treffen – Testament, Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung“ Auflage ab Sommer 2009) sind
Mitgeteilt von
Rechtsanwalt Dr. Gerd Unglenk